Schutzprojekt in Kolumbien
Gürteltiere gehören zu den faszinierendsten, aber auch zu den am wenigsten erforschten Säugetieren. Alle 23 existierenden Arten sind auf den amerikanischen Kontinent beschränkt, wo sie eine wichtige Rolle als Architekten der Natur und natürliche Kontrolleure von Insektenpopulationen spielen. Die Region Orinoco Llanos im Osten Kolumbiens wird von fünf Gürteltierarten bewohnt, darunter das Riesengürteltier (Priodontes maximus, VU) und das Savannengürteltier (Dasypus sabanicola, NT). Die Landschaft der Llanos wird von der zum Teil tropischen Savanne dominiert, die durch ausgedehnte, saisonal überflutete Savannen, Galerie- und Auwäldern gekennzeichnet ist. Insgesamt wurden 156 verschiedene Ökosysteme in den Llanos identifiziert, von denen 49 bereits vom Menschen verändert wurden. Gürteltiere kommen in den meisten von ihnen vor.
Traditionell wurden die Llanos in erster Linie für die extensive Viehzucht genutzt. Die rasche Ausweitung agroindustrieller Aktivitäten, insbesondere die Produktion von Biokraftstoffen, Holz und Nutzpflanzen, hat zu einer veränderten Landnutzung geführt, von der vor allem die Überschwemmungssavannen betroffen sind. Jedes Jahr unterliegen etwa 10 % des natürlichen Lebensraums Landnutzungsänderungen und ca. 70 % der Llanos in Kolumbien sind derzeit für die Umwandlung in Plantagen oder für Erdöl- und Bergbauzwecke vorgesehen.
2012 starteten unsere Projektpartner von der Fundación Omacha ein Programm zum Schutz der Gürteltiere in den Llanos von Kolumbien als institutionenübergreifendes Programm zum langfristigen Erhalt dieser faszinierenden Arten. Private Unternehmen, Umweltbehörden und die örtlichen Gemeinden wurden in die Aktivitäten einbezogen, um das langfristige Engagement der wichtigsten Interessengruppen zu gewährleisten und die Erfolgschancen der Schutzstrategien zu erhöhen. Es wurden wissenschaftliche Forschung, Bildung, direkte Maßnahmen zur Bedrohungsminderung und verschiedene Strategien zur Sensibilisierung für Gürteltiere kombiniert. Zwei Ergebnisse dieser Arbeit stachen dabei hervor und belegten ein großes Potenzial für den gemeinschaftsbasierten Schutz: die breite Akzeptanz der Gürteltiere als Flaggschiffarten der Llanos in den Gemeinden und der Enthusiasmus sowie das Interesse der lokalen Gemeinschaft, zum Schutz der Gürteltiere beizutragen. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass das Engagement der Bevölkerung für den Schutz der Gürteltiere - und für die Erhaltung der biologischen Vielfalt im Allgemeinen - umso größer ist, je mehr sie in praktische Feldaktivitäten einbezogen wurden. Darüber hinaus sind lokale Gemeinden und insbesondere die indigene Bevölkerung eine unglaubliche Wissensquelle, die oft ignoriert wird, aber wichtige Informationen über die Biologie von wenig bekannten Arten liefern kann.
In diesem Projekt wird daher der Fokus auf die Umsetzung von gemeinschaftsbasierten Maßnahmen (community-based conservation) zum Schutz der Gürteltiere in den Llanos von Kolumbien gesetzt. Das geplante Projekt wird besonders im östlichsten Teil der Llanos von Kolumbien umgesetzt, im Tuparro Biosphere Reserve, dem Ramsar Feuchtgebiet und dem Naturschutzgebiet Bojonawi in der Nähe von Puerto Carreño.
Obwohl die Kenntnis der Populationsdichte und -häufigkeit für die Bewertung des Erhaltungszustands wild lebender Arten von entscheidender Bedeutung ist, gibt es derzeit keine etablierte Methode, um sie für Gürteltiere zu bestimmen. In Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinden werden gezielte Datenerhebungen in verschiedenen Lebensraumtypen durchgeführt und alle Gürteltiersichtungen und indirekten Anzeichen wie Fährten und Höhlen aufgezeichnet. An den Höhleneingängen werden Kamerafallen installiert. Die Aufnahmen werden analysiert, um die Art, das Geschlecht, das Verhalten und, wenn möglich, die einzelnen Tiere zu identifizieren. Diese Methode wurde entwickelt, um Gürteltiere in den Wäldern von Französisch-Guayana zu untersuchen, wurde aber noch nie in anderen Lebensräumen wie den Auwäldern und Savannen der Llanos angewendet. Auf diese Weise könnten zum ersten Mal die Höhlendichte der Gürteltierarten, die die verschiedenen Lebensraumtypen der Llanos bewohnen, sowie ihre Populationsdichte (basierend auf der Belegung der Höhlen), ihre Habitatpräferenzen und ihre täglichen Aktivitätsmuster bestimmt werden. Sobald die Methode validiert ist, könnte sie als Methodik in einer Vielzahl von Lebensraumtypen zur Untersuchung von Gürteltieren eingesetzt werden, um so die dringend benötigten Informationen über die Populationsdichte zu erhalten.
Parallel dazu werden Workshops über die Biologie und den Schutz von Gürteltieren sowie über die Bedeutung der Erhaltung der biologischen Vielfalt im Allgemeinen abgehalten. Dies ist ein wichtiger Teil des Projekts, da so Gemeindemitglieder geschult werden, ihre Mitmenschen und Touristen, die das Gebiet besuchen, für den Gürteltierschutz zu sensibilisieren.
Außerdem werden partizipative Workshops mit der indigenen Bevölkerung durchgeführt, um ihr kulturelles Wissen zu stärken und sie für den Schutz der Gürteltiere zu gewinnen. Eine indigene Person aus einem anderen Teil Kolumbiens wird die lokale indigene Gemeinschaft in der Herstellung von Holzgürteltieren schulen. Dafür werden sie mit den notwendigen Werkzeugen für die Herstellung dieser Kunsthandwerke ausgestattet, die sie dann verkaufen können, um ihre Einnahmen zu erhöhen. Gleichzeitig werden Daten über die örtliche Nutzung, den Glauben und das Wissen über die verschiedenen Gürteltierarten gesammelt und diese Informationen den wissenschaftlichen Erkenntnissen gegenübergestellt. Diese Workshops werden dazu beitragen, das Bewusstsein für den Schutz der Gürteltiere in den Gemeinden zu schärfen.
Junge Biologen und Studenten werden in alle geplanten Aktivitäten einbezogen, um die nächste Generation von Gürteltierexperten auszubilden und zu motivieren. Sie werden von der Vorsitzenden der IUCN SSC-Spezialistengruppe für Ameisenbären, Faultiere und Gürteltiere ausgebildet und betreut.